Und- auf was freust du dich?
Impfen, impfen, impfen…
So ist es der Wunsch und ansatzweise auch die Wirklichkeit in unserem Land.
Nun bin auch ich seit ein paar Wochen Teil von dieser Wirklichkeit geworden. Ich bin ja gelernte Krankenschwester und gelockdownte Kunsthandwerkerin, und so habe ich die Chance ergriffen und mich für einen Minijob an unserem Impfzentrum beworben. Eigentlich bin ich kein Mensch für die Großabfertigung in einem Megabetrieb. Doch ich habe mich auf diese Herausforderung eingelassen.
Es beeindruckt mich immer wieder, mit wieviel Engagement und Herzblut JEDER in diesem Betrieb seine Aufgabe ausfüllt. Von der Security vor der Tür angefangen, die mit Stühlen und Regenschirmen ausgerüstet die Bedürfnisse der wartenden Menschen im Auge haben. Das geht weiter über die Verwaltungsleute und Ärzte bis hin zum Reinigungspersonal. Das schafft eine Menschlichkeit trotz Großbetrieb.
Meist ist es meine Aufgabe zu impfen. In einem kleinen Kabuff bei Kunstlicht die Menschen im 5 Min-Takt zu impfen.
Die Impflinge- das Wort kannte ich bisher auch noch nicht- kommen oft in einer positiven emotionalen erwartungsvollen Stimmung und mit einer mal mehr mal weniger großen Anspannung, weil ja kaum einer Spritzen mag.
Ich empfinde die 5 Minuten, die ich mit jedem Menschen habe, als Geschenk und bin begeistert, wieviel Begegnung in 5 Minuten möglich ist.
Nikolaus Ludwig von Zinsendorf hat folgenden Satz geschrieben:
Der Heiland soll uns aus den Augen heraus funkeln, dass man‘s sehe, dass er in uns lebt.“
Im letzten Jahr waren oft nur die Augen über der Maske sichtbar und es gab auch nur eingeschränkte Begegnungen und Kontakte. Da hat mich dieser Satz aufgebaut.
Gott ist nicht abhängig von Umständen und meinen Stimmungen und Möglichkeiten. Er funkelt aus uns heraus zu jeder Zeit! Auch wenn es nur 5 Minuten Begegnungen mit Maske und Kittel sind.
Wenn jemand mit Radkleidung zur Impfung kommt, frage ich ihn danach und schon sind wir im Gespräch über sein neues E‑Bike, das er gerade abgeholt hat und neben her hat er die Spritze im Arm und sagt: ach war es das schon und wir gehen beide positiv gestimmt weiter.
Wenn jemand in Berufskleidung kommt frage ich die Person nach der Aufgabe und Beruf und dabei habe ich enorm viel über die wirtschaftliche Lage der Betriebe in unserer Region erfahren und über die momentan schwierige Lage, an manche Materialien zu kommen wie z.B. Holz.
An einem Tag kamen 1200 Feuerwehrleute zur Impfung! Was für ein Privileg, Feuerwehrleute impfen zu können!
Ich merke, wenn es mir gelingt mit den Menschen im Gespräch zu sein über etwas wofür ihr Herz schlägt, dann merken sie die Impfung weniger und ich bin überzeugt, dass die Impfung auch leichter im Körper aufgenommen wird und es die Wirkung fördert.
Eine Frage, die ich immer wieder stelle ist: Auf was freuen sie sich, was durch die Impfung wieder möglich wird? Da sind sie meist erst über die Frage erstaunt, dann kommt nach kurzer Überlegung oft mit einem Lächeln die Antwort:
Viele freuen sich auf Begegnung und Familie- die Enkel wieder in den Arm nehmen…
Genauso viele freuen sich auf: einfach ein bisschen Normalität.
Ein betagter Herr freut sich aufs campen- er sei ein Kampfcamper…
Auf‘s Hausboot in Frankreich,
auf den Europapark,
auf gemütlich Essen zu gehen,
auf Urlaub.
Eine Pfarrerin hat dann auch die Frage umgedreht und mich gefragt, auf was ich mich freue, da war ich auch überrascht…
Was würdest du antworten: auf was freust du dich, was bald wieder möglich ist? Was hast du vermisst, was hat dir gefehlt?
Ich würde antworten: auf gemeinsames Singen, auf ungezwungene Begegnungen, auf Kunsthandwerkermärkte.
An der Antwort erkennt man, was dem Menschen besonders wichtig ist, was er besonders vermisst hat, da schlägt sein Herz.
Nimm es wahr was DIR gefehlt hat. Gratuliere dir selbst, dass du es geschafft hast ohne auszukommen! Das ist eine Stärke!
Nimm es jetzt neu in den Fokus und suche Wege, dich damit zu beschenken.
Ich bin ein kreativer Mensch und liebe Gestaltungsräume. Dieser vor uns liegende Sommer empfinde ich als neuen Gestaltungsraum. Du bist eingeladen, ihn zu kreativ zu nutzen.
Bildrechte: A.Winkler